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ein Bericht von Dr. Bernhard Gum |
Im Jahr 2004 erschien der Leitfaden "Flussperlmuschelschutz" der die bis dahin bekannt gewordenen Erkenntnisse im Perlmuschelschutz zusammenfasst, bewertet und daraus konkret die notwendigen Maßnahmen zum Erhalt der wichtigsten Restvorkommen in Bayern ableitet. Ende 2008 wurde zur besseren Koordination der Schutzprojekte und Umsetzungsmaßnahmen eigens eine Stelle für den Perlmuschel- und Bachmuschelschutz an der TU München-Weihenstephan eingerichtet (Prof. Geist-TU München, Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie, Muschelkoordiantion Bayern, s.u. Anschrift des Autors). Lebenszyklus und Bedeutung der Flussperlmuschel für den Arten- und Gewässerschutz: |
![]() Abb.1:Flussperlmuschel Margaritifera margaritifera |
![]() Abb.2: Lebenszyklus der Flussperlmuschel (Grafik nach Leitfaden Perlmuschelschutz, LfU) |
Während der parasitären Phase ist die Perlmuschel für die Entwicklung von der Muschellarve, dem sogenannten "Glochidium", zur Jungmuschel obligat auf einen geeigneten Wirtsfisch angewiesen. In Bayern ist die Bachforelle (Salmo trutta) die wichtigste Wirtsfischart für die Flussperlmuschel. In anderen Regionen Europas wie z.B. in Norwegen oder Irland kommen darüber hinaus der Atlantische Lachs (Salmo salar) und sehr selten auch der Seesaibling (Salvelinus alpinus) in Frage. Für das obere Doneinzugsgebiet ist in der Literatur außerdem der Huchen (Hucho hucho) als "bedingt geeignet" angegeben.Die im Spätsommer von der weiblichen Muschel ins Freiwasser ausgestoßenen winzigen Glochidien (ca. 0,05 mm), bleiben für 9 bis 10 Monate auf den Kiemen des Wirtfisches und fallen dann als rund 0,5 mm kleine Jungmuscheln ab. Nur ein Bruchteil der bis zu 4 Millionen ausgestoßenen Larven je trächtiger Altmuschel findet natürlicherweise den Weg bis zu den Kiemen einer Bachforelle. Die an den Kiemen zunächst mittels feiner Haken verankerten Larven werden innerhalb weniger Tage vom Kiemenepithel eingeschlossen (enzystiert) und wachsen so zur jungen Muschel heran (Abb. 3). |
![]() Abb.3: Glochidien der Perlmuschel auf den Kiemen einer Bachforelle |
![]() Abb.4: Typische "Muschelbank" eines intakten Perlmuschelvorkommens |
Junge Perlmuscheln werden je nach Gewässersystem und Wachstum mit 10 bis 15 Jahren geschlechtsreif. Die adulten Tiere bleiben dann bis zum Ende ihrer natürlichen Lebenserwartung fortpflanzungsfähig. |
Abb.5: Absterbende Perlmuschelpopulation infolge übermäßiger Verschlammung |
In den letzten Jahren wurde aus den europaweit durchgeführten Studien zum rapiden Rückgang der Perlmuschel klar, dass zur Rettung der Art als vordringlichste Maßnahme eine substanzielle Verringerung des Feinsedimenteintrags aus dem Umland erforderlich ist (Abb. 5). Je nach Zusammenspiel wichtiger Faktoren wie Größe des Einzugsgebiets, Intensität der Landnutzung in der Fläche (Wald, Grünland, Acker), Effektivität der Sediment-Eintragswege und Selbstreinigungskraft des Gewässers bestehen mehr oder weniger gute Aussichten auf eine erfolgreiche Umsetzung von Schutzprojekten. In jedem Fall ist im Vorfeld eine Detailkartierung bzw. Diagnose bzgl. der hauptsächlichen Eintragspfade von Sedimenten (Sand, Schluff, organisches Material etc.) aus dem Umland in die Muschelbäche erforderlich. |
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Übermäßiger Eintrag von Feinsedimenten in Perlmuschelgewässern |
Genauso wie ihr wichtigster Wirtfisch, die Bachforelle, benötigt die Perlmuschel für ihr Überleben einen natürlich-dynamischen Flusslauf mit einer stabilen und gut durchströmten Gewässersohle, die sich aus fein- bis grobkiesigen Fraktionen zusammensetzt. In Mitteleuropa konnte diese elementare Voraussetzung erst an einem einzigen Erfolgsfall, einem Perlmuschelgewässer in der Lüneburger Heide (Niedersachsen), wieder hergestellt werden. Dort gelang es durch eine seit den 1980er Jahren vorangetriebene Sanierung des gesamten Einzugsgebietes und durch erhebliche Reduktion übermäßiger Sandeinträge, den Negativtrend zu stoppen. Der Muschelbestand nimmt seit Ende der 1990er Jahre stetig zu. Begleitend zu den Maßnahmen der Gewässerrenaturierung wurde hier zusätzlich bestandsstützend gearbeitet indem der autochthone Bachforellenbestand jedes Jahr gezielt mit Perlmuschelglochidien aus dem Ursprungsgewässer infiziert wurde. - Förderung von Maßnahmen zur strukturellen Aufwertung wichtiger Funktionsräume der Bachforelle, z.B. Einbringung von Störsteinen oder Totholz sowie Schaffung oder Revitalisierung von Laichplätzen und Jungfischstandorten Den Fischereiausübungsberechtigen obliegt die Hege eines dem Gewässertypus angepassten Fischbestands. Sie sind sich ihrer Verantwortung um den Erhalt eines autochthonen Bachforellenbestands bewusst und setzen sich aktiv dafür ein. In jedem Fall ist vor Beginn der Umsetzung von Maßnahmen eine genaue Defizitanalyse und intensiver Austausch mit den Fachleuten aus Fischerei, Wasserwirtschaft und Naturschutz erforderlich. Dies trifft insbesondere auf Projekte zu, die mit einer Veränderung der Gewässerstruktur einhergehen wie z.B. Kieseinbringung oder Kieslockerung. Status Quo und halbnatürliche Nachzucht als Notmaßnahme des Artenschutzes zur Rettung der Perlmuschel Da mittlerweile auch die letzten größeren Restbestände in Bayern sehr überaltert und so stark ausgedünnt sind, dass oft nur mehr einzelne trächtige Tiere gefunden werden, besteht die Gefahr des sukzessiven Aussterbens der Art. Einige kleinere Vorkommen sind in den letzten Jahren bereits erloschen. |
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Abb.7/8: Junge Perlmuscheln aus der Nachzuchtstation in Sachsen/Vogtland |
Bisher wurden in Bayern noch keine mittels halbnatürlicher Nachzucht erzeugten jungen Perlmuscheln ausgewildert. Den Beteiligten ist klar, dass eine Nachzucht der Perlmuschel ohne eine parallel durchgeführte umfassende und erfolgreiche Sanierung ihres Lebensraums, letzten Endes keine Dauerlösung sein kann. Als Notmaßnahme erscheint die Nachzucht aber zumindest für die prioritären Vorkommen gegenwärtig als unbedingt notwendig. Schließlich ist absehbar, dass bis zur Wiederherstellung von Habitatbedingungen, die ein natürliches Aufkommen von Jungmuscheln ermöglichen, für die meisten bayerischen Perlmuschelvorkommen nicht genügend Zeit bleibt. F |
Fotos: Prof. Jürgen Geist, Dr. Bernhard Gum - TU München Layout: Eva Geigl/Royal Flyfishing Mit freundlicher Genehmigung von Hr. Gum, eingefügt in Royal Flyfishing.com |